Aktuelles | 07.02.2020

Nachruf auf Volker David Kirchner

Das Staatstheater Wiesbaden trauert um den Komponisten Volker David Kirchner, der dem Haus über viele Jahre fest verbunden war. Spätestens seit der Wiesbadener Uraufführung seiner Oper »Die Trauung« (1975), der ein Theatertext von Witold Gombrowicz zugrunde lag, galt Kirchner als eine der größten Begabungen unter den neueren Musikdramatikern. Produktiv, wie er war, hat er dieses Versprechen immer wieder eingelöst, nicht zuletzt durch eine weitere sehr erfolgreiche – und von der Neuen-Musik-Szene misstrauisch beäugte – Uraufführung am Hessischen Staatstheater, »Das kalte Herz« (1981) nach Wilhelm Hauff.

Der gebürtige Mainzer Volker David Kirchner war 1972 als Komponist von Bühnenmusiken fest ans Wiesbadener Haus engagiert worden. Von hier aus vermochte er, den mit dem damaligen Generalmusikdirektor Siegfried Köhler eine enge Freundschaft verband, seiner Komponistenkarriere entscheidende Impulse zu geben. Auch großangelegte Orchesterwerke wie die »Bildnisse I«, sein »Nachtstück« für Akkordeon und Orchester oder die »Drei Gesänge« für tiefe Stimme und Orchester sowie zahlreiche Kammermusikstücke wurden in Wiesbaden uraufgeführt. Sein Wirken blieb aber nicht auf Wiesbaden beschränkt, weitere wichtige Opern etwa wurden an Theatern wie der Bayerischen Staatoper München (»Belshazar«), der Staatsoper Hannover (»Gilgamesh«, anlässlich der EXPO 200) und zuletzt 2016 in Erfurt (»Gutenberg«) zur Premiere gebracht.

Volker David Kirchner wird als ein unbequemer Künstler in Erinnerung bleiben, der nie Interesse daran zeigte, im Mainstream zu schwimmen. Weder mochte er seinerzeit den künstlerischen Avantgarden folgen, die in den Darmstädter Ferienkursen ihr ideologisches Zentrum fanden, noch wollte er es dem Publikum leicht machen: Er wurde einmal treffend als der »Avantgardist gegen die Avantgardisten« bezeichnet. Als solcher erhob er mit seinen Werken wiederholt engagierten Einspruch gegen alle Deformationen des Menschlichen, nicht zuletzt waren Macht und Machtmissbrauch wiederkehrende Themen in seinem Œuvre. Wie sein Lehrer Bernd Alois Zimmermann, ein anderer großer Querständiger in der Musik des 20. Jahrhunderts, scheute auch Kirchner nie die Berührung mit musikalischen Materialien, die in der Neuen Musik lange als verpönt galten, seien es Rhythmen aus dem Jazz oder außereuropäische Einflüsse.

In der Nacht auf den 4. Februar 2020 ist Volker David Kirchner im Alter von 77 Jahren verstorben. All jene, die in der Musik nicht nur den schönen Schein, sondern auch das existentielle Moment suchen, erleben einen schmerzlichen Verlust.